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Natureza humana

versão impressa ISSN 1517-2430

Nat. hum. vol.13 no.2 São Paulo  2011

 

Artigos

 

Über den Nihilismus und die Leere – Nishitani und Heidegger

Sobre o niilismo e o vazio – Nishitani e Heidegger

 

On nihilism and emptiness – Nishitani and Heidegger

 

 

Katsuya Akitomi

Kyoto Institute of Technology

 

 


Zusammenfassung

Keiji Nishitani ist einer der bedeutendesten Philosophen der Kyoto-Schule, der sich mit dem Nihilismus am ernstesten auseinadergesetzt hat. Hier geht es darum, durch die Betrachtung der Heidegger-Auslegung Nishitanis in seinem Werk "Nihilismus" den Unterschied des Verständnisses des Nihilismus zwischen der beiden herauszustellen und dann die Entwicklung des Gedankens des Nihilismus bei der beiden zu überprüfen. Der Gedanke der Leere, den Nishitani in seinem Hauptwerk "Was ist Religion?" entfaltet, ist das, was in der mahajana-buddhistischen Tradition ruht, dessen philosophische Möglichkeit zugleich aber noch nicht genug ausgeschöpft worden ist. Dieser Gedanke ist in diesem Buch durch die Auseinandersetzung mit der abendländischen Philosophie als derjenige für die Überwindung des Nihilismus darzustellen.

Schlüsselwörter: Nihilismus, Leere, Heidegger, Nishitani.


Resumo

Keiji Nishitani é um dos mais importantes filósofos da Escola de Kyoto que se dedicou, com mais intensidade, ao tema Niilismo. Em minha apresentação tratarei do desenvolvimento do conceito de "niilismo" nos dois autores a partir da própria interpretação que Nishitani faz de Heidegger, em sua obra intitulada "O Niilismo". O conceito de vazio que Nishitani desenvolve em sua obra principal "O que é religião" é o que mais se aproxima deste mesmo conceito na tradição do budismo mahayana e ainda não esgotou as possibilidades filosóficas de abordagens. Estas reflexões no livro de Nishitani e um debate com a tradição filosófica ocidental se propõe a ser a superação do próprio niilismo.

Palavras-chave: niilismo, vazio, Heidegger, Nishitani.


Abstract

Keiji Nishitani is one of the most important philosophers of the Kyoto School who devoted himself deeply to the subject of Nihilism. In my presentation, I discuss the development of the concept of "nihilism" by those two authors taking as a base Nishitani's interpretation of Heidegger in his book entitled "Nihilism". The concept of emptiness developed by Nishitani in his major work "What is religion" is the one that gets closest to that same concept developed by Mahayana Buddhism and that has not yet exhausted the possibilities of philosophical approaches. The thoughts expressed by Nishitani in his book and the debate with the Western philosophical tradition aim to overcome Nihilism as such.

Key-words: nihilism, emptiness, Heidegger, Nishitani.


 

 

Der europäische Nihilismus und der "japanische" Nihilismus Der Nihilismus (1949), eines von den Hauptwerken von Keiji Nishitani (1900-1990) ist vier Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges erschienen. In dieser Tatsache spiegelt sich ein Ende, welches das moderne Japan erreicht hatte.

Nishitani weist im ersten Kapitel darauf hin, dass der Nihilismus erstens in jener Dimension problematisiert wird, in der sich das Sein des eigenen Selbst zu einer Frage verwandelt, und der Nihilismus insofern ein allgemein menschliches Problem ist. Zweitens aber steht der Nihilismus mit einem bestimmten Ort und einem bestimmten Zeitalter, nämlich dem modernen Europa in Verbindung, und daher kann die Diskussion des Nihilismus in Japan nicht anders, als unter besonderen Vorzeichen stattfinden. Sofern der Nihilismus als Problem mit dem modernen Europa untrennbar verbunden ist, bleibt die Erörterung des Nihilismus in Japan eine Annäherung von außen und damit in sich selbst widersprüchlich. Weil jedoch Japan im Zuge seiner Modernisierung in großem Maßstab europäische Kultur importierte, kann das, was für Europa ein Problem darstellt, auch für Japan nicht ohne Relevanz sein. Diese komplizierte Lage hält Nishitani für Ausgangspunkt und zugleich Schluss seiner Aufgabe. Nishitani beginnt seine Betrachtung des europäischen Nihilismus mit dessen geschichtlichen Hintergrund, erörtert dann im Einzelnen die Nihilismus-Auslegungen bei Nietzsche, Stirner und Heidegger, und stellt den ihnen gemeinsamen Charakter "der ursprünglichen Einheit von schöpferischem Nihilismus und Endlichkeit" heraus. Im letzten Kapitel kehrt er zu seiner eigenen Sichtweise zurück und betrachtet "die Bedeutung des Nihilismus für uns", also für die Japaner. Hier weist Nishitnai auf den Widerspruch hin, der bereits im Anfang des modernen Japans angelegt gewesen war. Nach Nishitani hat die rasche und unkritische Einfuhr der europäischen Kultur nach der Öffnung des Landes nicht bis an dessen geistigen Grund gereicht. Noch dazu forderte diese Haltung mit der Unterbrechung der Verbindung zur eigenen Tradition ein großes Opfer. Die größte Krise der japanischen Geschichte lag den politischen Umwälzungen seit Beginn der Moderne zugrunde, aber die Krise selbst wurde eigentlich ohne ein präzises Bewusstsein der Krise durchlebt. Im Prozess dieser Modernisierung war man auch in der Nachkriegszeit der geistigen Nichtigkeit nicht bewusst. Hier versteckte sich eine "verdoppelte Krise", in der man sich der Krise als solcher eben nicht bewusst war. Es ist weithin bekannt, dass Karl Löwith, der einstmals in Japan gelebt hatte, das damalige Japan mit der Metapher vom "zweistöckigen Haus" zu verdeutlichen suchte und sagte, Japan sei für Europa "ein lebendiger Widerspruch" (Vgl. Löwith, 1990, S.106ff.).

Auch Nishitani zitiert diese Äußerung, sagt aber zugleich, dass die Frage, wie dieser Widerspruch aufzulösen wäre, "unser Problem" und ein "Problem ‚unseres eigenen Willens‘" sei. Wie der Titel des Abschnittes über "Die Bedeutung des Nihilismus für uns" schon zeigt, sagt Nishitani hier deutlich "uns". Dies erinnert uns daran, dass auch Heidegger seit der Mitte der 30er Jahre nach einer Möglichkeit des Übergangs zu einem anderen Anfang suchte, indem er einerseits die Seinsvergessenheit in der Geschichte der mit dem ersten Anfang begonnenen Metaphysik aufwies, und andererseits mit Hölderlins Dichtung ein denkendes Gespräch suchte. So stellte er die Frage: "Wer sind wir?" Heidegger strebte in der Tradition des Abendlandes nach der Überwindung dieser Tradition und versuchte, das Subjekt der Überwindung in der "Werfrage" (Vgl. beispielsweise Heidegger, 1998, GA 38, S.33ff, 1989, GA 39, S.58f.) zu erörtern. Dabei versteht es sich von selbst, dass, wie die Beziehung dieser beiden Anfänge zeigt, die eigene Geschichtlichkeit zwischen Herkunft und Zukunft begriffen wurde.

Auch Nishitani nennt das Subjekt, das dem europäischen Nihilismus entgegen stehend einen japanischen Nihilismus zu erreichen strebt, "wir". Wie das "wir" für Heidegger nicht direkt "die Deutschen" oder "die Europäer" im Allgemeinen sind, ist das "wir" auch für Nishitani nicht einfach "die Japaner" überhaupt. Die Gemeinschaftlichkeit des "wir" entsteht vielmehr erst durch einen gegenseitigen Willen, der im Angesicht des geschichtlichen Nihilismus seiner selbst gewahr wird. Das "wir", dessen Nishitani gewahr wurde, muss sich für seine eigene Tradition und Zukunft mit dem europäischen "wir" auseinandersetzen, das seinem eigenen Nihilismus gegenübergestanden hat.

Die Bedeutung, die der moderne abendländische Nihilismus für "uns" hat, ist in durchdachter Art und Weise darin zu erkennen, dass gerade in der Erkenntnis der Krise, in der wir uns befinden, wir einerseits die Europäisierung, die diese Krise selber hervorgebracht hat, ins Äußerste vorantreiben und die Zukunft der importierten europäischen Kultur in ihrem Grunde in Frage stellen. Andererseits entdecken wir in dieser Zukunft eine neue Möglichkeit der ostasiatischen Tradition. Das bedeutet, wie die europäischen Denker durch ihre Auseinandersetzung mit dem Nihilismus gezeigt haben, dass wir das Problem der Geschichte zum Problem unseres eigenen Selbst machen. Die Lösung dieser Aufgabe ist Problem unseres Willens; nämlich die Frage, ob es uns gelingt, unseren ursprünglichen Willen zurückzugewinnen oder nicht. Das ist nichts anderes als die "Überwindung des Nihilismus durch den Nihilismus hindurch " von den Japanern und für die Japaner.

Nishitani greift im Hinblick auf die japanische Tradition die Möglichkeit des buddhistischen Nichts bzw. der buddhistischen Leere heraus. Das moderne Japan hat, wie oben gesagt, die Verbindung mit seiner geistigen Tradition bereits vergessen und verloren. Deshalb muss sie in positiver Art und Weise und von Seiten des vergangenen Erbes her wiederentdeckt werden. Es bedarf keiner weiteren Erwähnung, dass diese Haltung, nämlich "auf die Zukunft zu in die Herkunft zurückzugehen", oder mit anderen Worten: "die in der Herkunft noch nicht herausgenommene Möglichkeit zu sich kommen zu lassen", der Haltung Heideggers gegen die Geschichte sehr ähnlich ist.

Die Ähnlichkeit ist nicht nur in der Einstellung der Geschichte gegenüber zu finden. Nishitani sagt zudem am Ende des letzten Kapitels, dass die Stellung der "Transzendenz zur Welt", die er auch in seiner Untersuchung über Heidegger als wichtig herausstreicht, im Allgemeinen und von der Seinsweise des Menschen her gesehen sich der Stellung der mahāyāna-buddhistischen Leere nährt. Noch wichtiger: er weist darauf hin, dass im Nichts bzw. in der Leere des Mahāyāna-Buddhismus "jene Stellung, die auch der den Nihilismus überwunden habende Nihilismus noch nicht hat erreichen können, enthalten ist" (Nishitani, 1986a, S.185). Es geht Nishitani deshalb auch darum zu zeigen, was diese Stellung, d. h. die der Leere eigentlich ist, die der europäische, positive Nihilismus nicht zu erreichen vermag.

Diese Aufgabe leitet Nishitani zu seinem Hauptwerk Was ist Religion? (1961). Ich möchte in Bezug auf den oben genannten Hinweis im Folgenden betrachten, was für ein denkerischer Standpunkt die Leere ist und warum sie die Überwindung des Nihilismus bedeuten kann.

 

2. Die Grundstellung von Was ist Religion? und die Stellungnahme zu Heidegger

Nishitani greift also, wie im Vorhergehenden dargelegt, die Leere aus der mahāyāna-buddhistischen Tradition heraus und positioniert sie gegenüber der Wirklichkeit des Nihilismus in der modernen Welt. Er versucht jedoch keineswegs einfach nur statt der abendländischen Weltanschauung eine ostasiatische Weltanschauung zu definieren. Im "Vorwort" spricht Nishitani in diesem Sinne über die Verwendung von Termini wie "sūnyatā", "e-go" (wechselseitige Durchdringung) oder "shoki" (Ereignis): Diese stehen mit bestimmten buddhistischen Schulen in Verbindung; sie sind entliehen worden, "damit sie die »Realität« bzw. das Wesen und die Wirklichkeit des Menschen erhellen. Herausgelöst aus dem Rahmen ihrer traditionellen Begriffsbestimmungen werden sie je nach Gelegenheit und ziemlich frei, auch wenn dies nicht immer eigens vermerkt wird, in bezug auf und in Entsprechung zu Begriffen heutigen Philosophierens verwendet" (Nishitani, 1986b, S. 10).

Dieses Buch trägt zwar den Titel Was ist Religion?, aber es handelt nicht vom Wesen der Religion, indem es sich auf bereits bestehende Religionen gründete.

Nishitani sagt: "Dieser Versuch geht von Problemen aus, die dem historischen Neuland, das wir »moderne Welt« nennen, wohl verborgen zugrunde liegen. Dies geschieht in der Absicht, den Grund der menschlichen Existenz aufzugraben und zugleich nach dem eigentlichen Quell der Realität zu suchen. Indem ich das tue, stelle ich mich geradewegs in ein Niemandsland, gleichsam mit einem Bein in den religiösen, mit dem anderen Bein in den anti- oder areligiösen Bereich — denn ohne Beziehung zu Religion sein, ist hier als bereits in einer Art Beziehung zur Religion Stehen zu betrachten — und bewege mich nun frei von einem zum anderen" (Nishitani, 1986b, S. 08). Eine Religionsphilosophie dieser Art beruft sich also auf den Ort, an dem die Stellung bisheriger Religionsphilosophien, die sich auf Immanenzen wie Vernunft, innere Anschauung oder Gefühl gründen, gebrochen und durchbrochen wurde, und geht den gleichen Weg wie die "zeitgenössischen Existenzphilosophien, die alle in der einen oder anderen Weise irgendeinen »Ort« der sogenannten »Transzendenz« anerkennen" (Nishitani, 1986b, S. 09).

Nun ist im Hinblick auf die oben genannten Probleme, die der modernen Welt wohl verborgen zugrunde liegen, die Frage nach Religion und Wissenschaft, oder mit anderen Worten, nach dem Nihilismus eine entscheidende. Im Hintergrund des modernen abendländischen Nihilismus steht die Tatsache, dass die mechanistische Weltanschauung die personale Beziehung zwischen Gott und Menschen durchtrennt und die Welt sich zu einem dem Menschen Indifferenten verändert. Diese mechanistische Weltanschauung greift ebenso auf die Technik über wie sie ins politische System hineinreicht. Der heutige Nihilismus hat sich darin vertieft, dass man die Sinnlosigkeit im Grunde der Beziehung zwischen mechanisierter Welt und Menschen gewahrte.

Aber Nishiani richtet sein Hauptaugenmerk nicht darauf, anstelle der impersonalen Weltanschauung der Wissenschaft die personale Weltanschauung der Religion heraufzubeschwören. Wenn auch die Wissenschaft die Beziehung zwischen Welt und Menschen tief greifend verändert hat, so ist es doch unmöglich, sie einfach zu verneinen und zu einem früheren Status zurückzukehren, insofern sie eine bestimmte Wahrheit enthält. Es geht vielmehr darum, eine religiöse Weltanschauung bzw. Gottesanschauung zu suchen, die mit der durch objektive Wahrheiten bestätigten wissenschaftlichen Weltanschauung vereinbar ist. Aus dieser Perspektive scheint es, um der Impersonalität der Wissenschaft entsprechen zu können, naheliegend, auf die Stellung des überpersonalen bzw. impersonalen Verhältnisses im Mystizismus von Eckhart zu rekurrieren, das über das personale Verhältnis zwischen Gott und Menschen hinausgeht. Eckhart hatte bekanntlich auf die Notwendigkeit hingewiesen, im Grunde Gottes das Nichts der Gottheit anzuerkennen, in welchem Gott die Vorstellung durch den Menschen hinter sich lässt und zu Gott an sich zurückkehrt. Auf ein solches absolutes Nichts kann sich der Mensch durch die radikale Selbstverneinung erst als wahres Selbst begründen. Mit dieser absoluten Negation-sive-Affirmation bei Eckhart verglichen ist selbst Nietzsche noch unzureichend, der die gottlose Nichtigkeit als den Ort seiner Ekstase übernahm und den Atheismus noch radikalisierte. Denn auch die gottloseste Nichtigkeit bleibt als auf das Sein bezogene Verneinung noch relativ. Nishitani glaubt zwar, im Ja-Sagen des späteren Nietzsche die Stellung der absoluten »Negation-sive-Affirmation« einigermaßen deutlich erkennen zu können, aber zugleich sei es "nicht hinlänglich klar, in welchem Maße die Rückkehr zu jener Grundlage das subjektive Erwachen mit enthält, wo das Selbst wahrhaft zu sich selbst kommt" (Nishitani, 1986b, S. 126).

Nun wird dieses Verständnis von Nichtigkeit (also nihilum) auch auf den frühen Heidegger übertragen. Nishitani weiß einerseits zu schätzen, dass Heidegger "die Transzendenz zur Welt" als "Hineingehaltenheit in das Nichts" verstanden hat, und bewertet im Nihilismus dies als "die ursprüngliche Einheit von schöpferischem Nihilismus und Endlichkeit". Aber er sagt andererseits darüber das Folgende: "Trotz all dem wird hier das nihilum im Grunde des eigenen Selbstseins als die Grundlosigkeit dieses Seins gesehen, das heißt von der Seite des »Selbst-Seins« her und damit als etwas außerhalb des eigenen »Seins« Gesetztes. Man entdeckt es auf der anderen Seite des »Seins« als eine von diesem verschiedene Entität. Selbst in Heideggers Wort, das Selbstsein (»Dasein«) sei »ins Nichts hineingehalten«, findet sich… noch eine Spur einer derartigen Anschauung" (Nishitani, 1986b, S. 169). Denn die Nichtigkeit (das nihilum), mag sie auch ein Abgrund sein, in den das Dasein sich hineingehalten findet, bleibt etwas Anderes, Fremdes, das vom Sein verschieden ist und im Gegensatz dazu steht, insofern sie immer die Nichtigkeit (das nihilum) zum Selbstsein und von der Seite des Seins her gesehen wird. In diesem Zusammenhang zitiert Nishitani auch Heideggers Satz: "Im Sein des Seienden geschieht das Nichten des Nichts" (Nishitani, 1986b, S. 187) [Vgl. Heidegger, 2004, GA 9, S.115], dem zufolge die Dinge als Objekte angesichts der Nichtigkeit ihren vorstellungshaften Charakter verlieren und sich so in ihrer eigenen Realität offenbaren. Im Gegensatz dazu weist Nishitani jedoch zugleich darauf hin, dass sich die Dinge in der Leere noch realer offenbaren als sie eigentlich sind.

Insofern das Wesen des nihilum die Verneintheit des Seins ist, muss Nishitani anerkennen, dass selbst der Standpunkt Heideggers noch auf dem Wege zur Leere sich befindet, diese aber noch nicht zu erreichen vermag.

Mag Nishitani die Position des frühen Heideggers auf diese Weise umreißen, so ist es für ihn, der ja die Texte des späten Heideggers bereits hatte lesen können, doch unmöglich, seine Heidegger-Interpretation an dieser Stelle auf sich beruhen zu lassen. Nishitani legt also im Bezug auf die Subjektivität, die sich auf das nihilum gründet, dar, dass sich die ekstasis in Richtung "vom Selbst zum Grunde des Selbst", d. h. vom Sein zum Nichts ereignet, die absolute Negation-sive-Affirmation aber im Gegensatz dazu in Richtung vom Nichts zum Sein verlaufe. Er weist zudem darauf hin, "dass der späte Heidegger ekstasis vom »Grund« her dachte, in direkter Umkehr der Richtung, aus der er früher gedacht hatte, und das geschieht aus gutem Grund" (Nishitani, 1986b, S. 130). In diesem Hinweis wird Nishitanis Sympathie für das Denken Heideggers sichtbar, der sein Denken in der damaligen Zeit weiter entwickelte. Gerade deshalb wird jedoch auch das Verhältnis zwischen der Stellung der Leere und der des späten Heideggers noch problematischer. Im Folgenden möchte ich dementsprechend mein Interesse auf das Problem der Leere lenken.

 

3. Die Stellung der Leere

In Heideggers frühem Denken ist die Nichtigkeit jener Ort, an dem das Sein selbst als Frage offenbar wird. Insofern ist jedoch die Nichtigkeit keineswegs ein Standpunkt, von dem aus eine Antwort auf diese Frage gegeben werden kann. Hierin liegt die Notwendigkeit, sich von der Nichtigkeit ab- und anderen Standpunkten zuzuwenden. Die Leere ist es, welche die Forderung nach einer Antwort zu erfüllen imstande ist. Sie wird dann möglich, wenn eine radikalisierte Nichtigkeit zu einer solchen Wendung führt.

Obwohl die Nichtigkeit dem Sein gegenübersteht und damit durchaus noch als ein nichtiges "Etwas" angesehen werden kann, ist die Leere keinesfalls mehr objektiv zu sehen. Nishitani betont: "»Grund« im Sinn von sūnyatā ist Leere nur dann, wenn sie sich auch noch des Gedankens entäußert, als gäbe es etwas, was Leere »ist«" (Nishitani, 1986b, S. 170). Die Leere ist jener Ort, an dem sowohl der Mensch als auch alle Dinge, die uns umgeben, sich in ihrer eigentlichen Realität und Soheit vergegenwärtigen. Eine Allegorie von Nishitani zum Verhältnis von Leere und Nichtigkeit besagt: "So wie man zum Beispiel von einem Tal, wie unermesslich tief es auch sei, sagen kann, es befinde sich letztlich im grenzenlos weiten Himmel, kann man auch sagen, das nihilum sei in der Leere" (Nishitani, 1986b, S. 172). Niemand jedoch vermöchte zu erklären, warum die Wende vom nihilum zur Leere geschehen könne. Denn diese Wende ist ein Ereignis, das die Dimension übertrifft, in der nach einem Grund gefragt werden kann.

Aber auch die Darstellung der Eigentümlichkeit der Leere bleibt, wenn sie allein steht, eine Beschreibung des mahāyāna-buddhistischen Standpunktes. Die Leere ist in ihrer Möglichkeit für die Überwindung des Nihilismus noch längst nicht bestätigt. Deshalb muss die Stellung der Leere durch die Auseinandersetzung mit der abendländischen Philosophie in ihrer gedanklichen Position und Möglichkeit festgehalten werden. Dementsprechend versucht Nishitani, das "Selbstsein" als Wesen der Leere der abendländischen "Ontologie" vergleichend gegenüberzustellen.

Die Ontologie begreift alle Dinge im Hinblick auf die Konzepte von Substanz und Subjekt. Sowohl "Substanz" als auch "Subjekt" bestimmen jedes Seiende auf die Art und Weise, in der sich das Seiende in seiner Selbstidentität erhält und zeigt. Wenn zum Beispiel ein Feuer vor unseren Augen brennt, sagt die "Substanz" dazu, dass dieses Feuer nichts anderes ist als eben dieses Feuer. Die Eigenheit des Feuers liegt in der Kraft und Wirksamkeit des Brennens. Das Feuer offenbart uns seine Selbstidentität im Brennen. Diese Erscheinung ist die "Form" des Feuers und die Definition dessen, was Feuer ist. Unsere Vernunft versteht auf diese Weise die Selbstidentität des Feuers in einer substanziellen Form. Das bedeutet, dass die Vernunft zum aktuellen Sein von etwas (Dass-Sein) immer durch dessen essentielles Sein (Was-Sein) vorstößt. Aber es ist dies kein Standpunkt, von dem aus man unmittelbar zu jenem Ort vordringen könnte, wo das Feuer aus unserem Beispiel tatsächlich schlechthin da wäre. Das Feuer zeigt sich in der Form, in der es uns seine Identität offenbart, und nicht in seinem schlechthinnigen "ist", das jenseits seines Erscheinens liegt. Nishitani erklärt den Seinsmodus des Feuers, in welchem es in seiner Selbstidentität ist, mit dem seit alters her im östlichen Denken gebräuchlichen Ausdruck "das Feuer verbrennt das Feuer nicht". Dort, wo es in Wirklichkeit lodert, wo es seine Selbstidentität bewahrt, verzehrt sich das Feuer nicht selbst. In dem Faktum, dass das Feuer sich selbst nicht verbrennt, ist das Was-Sein des Feuers eins mit seinem Dass-Sein. Die oben genannte sprachliche Wendung drückt nicht nur das Selbstsein des Feuers für uns aus, sondern die Selbstidentität des Feuers, wie es an sich ist. Gegenüber der Sichtweise, in der das Wesen und die Wirklichkeit des Feuers im Akt des Verbrennens als energeia erkannt wird, bedeutet die Selbstidentität dessen, dass das Feuer sich selbst nicht verbrennt, die Verneinung der substanziellen Selbstidentität. Weil, wenn die Selbstnatur des Feuers im Verbrennen zu erkennen ist, das Nicht-Verbrennen inmitten des Verbrennens und untrennbar von diesem geschieht, ist die Selbstidentität des Feuers zugleich Nicht-Selbstnatur. Dies bedeutet, dass der Wahrheit der substanziellen Selbstidentität "das-ist-Feuer", eine ganz andere, ebenso selbstidentische Wahrheit zugrunde liegt, nämlich "das ist nicht Feuer, deshalb ist es Feuer" (Nishitani, 1986b, S. 198). Darin sieht Nishitani das An-sich-sein des Feuers, also die authentische Realität des Feuers. Diese sprachlichen Wendungen mögen vielleicht befremdlich klingen. Aber das liegt nach Nishitani vor allem daran, dass wir für gewöhnlich in der Vernunft stehen und von dort aus die Dinge betrachten. Deshalb müssen wir, um an die wahre Realität der Dinge zu rühren, uns von der Vernunft trennen und einen Ort einnehmen, an dem die Selbstidentität der Selbstnatur ebenso wie jene der Nicht-Selbstnatur als absoluter Verneinung der ersteren gleichzeitig entstehen können. Das ist eben der Standpunkt der Leere.

Wie der Begriff der Substanz seit alters als etwas Bestehendes verstanden wurde, das den verschiedenen akzidentiellen Eigenschaften eines Dinges zugrunde liegt, wurde auch der Begriff des Subjekts – hauptsächlich seit der Moderne – als der selbstidentische Grund verstanden, der die verschiedenen Vermögen des Menschseins vereinheitlicht. Diese Selbstauslegung des modernen Menschen beginnt präzise beim cogito des Descartes und wird durch Kant radikal vertieft. Für Kant ist der Begriff der Substanz, die vermeintlich seit alters her zum Ding gehört, etwas, das vom Subjekt als eine der Kategorien des reinen Verstandes in das Ding hineingedacht wird.

Die Vernunft, die durch Kant als Kern des neuzeitlichen Subjekts definiert wurde, hat sich in der Folge durch den deutschen Idealismus zur absoluten Vernunft entwickelt. Aber nachdem die Vernunft derart ihren Höhepunkt erreichte, begann ihr Grund zu schwanken, und die Nichtigkeit offenbarte sich allmählich im Grunde (d. i. Abgrunde) der Vernunft. Indem die Nichtigkeit sich in ihrer Realität offenbarte, wurde die ekstatische Transzendenz zum Ort der Nichtigkeit möglich. Die Nichtigkeit als Negation alles Seins wird jedoch, wie oben betrachtet, immer im Gegensatz zum Sein vorgestellt und bleibt insofern unweigerlich relativ zum Sein. Das Wesen der Nichtigkeit ist die bloß verneinende Negativität. Sie kann weder beim Sein verbleiben noch sich vom Sein trennen. Deshalb trägt sie in sich einen Selbstwiderspruch und hat einen Übergangscharakter.

Im Gegensatz dazu ist die Leere das Ganze jener Wendung, in der die absolute Negation zugleich mit der absoluten Affirmation entsteht und in der gesagt werden kann: "Das Selbst oder das Ding ist nicht nur leer, sondern umgekehrt ist die Leere das Selbst oder das Ding." Hier entsteht die Umkehrung, die dem Mahāyāna-Buddhismus zufolge seit alters her in der Formulierung "die Form ist gleich der Leere, die Leere ist gleich der Form" ausgedrückt wurde. Gerade dieses "gleich" bzw. "sive" ist für den Buddhismus charakteristisch. Wie der Buddhismus "Geburt-und-Tod sive Nirwana" sagt und so die Identität von Leidenswelt und Erlösung zum Ausdruck bringt, ist das wahre Nirwana nicht ein solches, das Geburt-und-Tod gegenüberstünde, sondern jene Position, wo die Partikel "sive" zwischen Geburt-und-Tod und Nirwana funktionieren kann. In dieser Leere ist die Situation überwunden, in der die Nichtigkeit als Gegensatz zum Sein jenseits des Seins gesehen wird. Das ist der Seinsmodus, in dem Selbst oder Ding die Seinsweise des Erscheinens für uns transzendiert und schlechthin an sich ist. In der Leere erhalten alle Dinge ihre eigenen Seinsmöglichkeiten zurück und offenbaren sich in an-sich-seiender Weise. Hier entsteht also die Leere nicht mehr als Gegensatz zum Sein, sondern ineins mit dem Sein.

In der Situation, wo die Leere ineins mit dem Sein entsteht, kann das Sein ineins mit dem Nichts und umgekehrt das Nichts ineins mit dem Sein entstehen. Hierin liegt eine Parallele zu Heidegger, der nicht müde wurde, nach der Zusammengehörigkeit von Sein und Nichts zu fragen. Im Gegensatz zu Heidegger jedoch, der eine solche Zusammengehörigkeit in der Wahrheit (Unverborgenheit) des Seins bzw. seiner Wesung suchte, erkennt Nishitani dieselbe Zusammengehörigkeit in der Leere bzw. dem "sive" in ihr.

Nun in der Leere können alle Dinge in ihrer eigenen Selbstidentität sowohl eins als auch das absolute Zentrum alles anderen Seienden werden. Es handelt sich um eine Welt, in der alles eins werden kann, aber in der überall auch dieselbe Tatsache zustande kommt. "Die Möglichkeit aller Dinge, sich zu versammeln und eine »Welt« zu bilden, und die Seinsmöglichkeit, in der jedes Ding es selbst »ist«, indem es sich in sich selbst sammelt, können nur im Feld der Leere entstehen" (Nishitani, 1986b, S. 237).

Um es noch einmal zu betonen: alle Dinge sind in der Leere in ihrem Sein jeweils absolut selbständig und können sich trotzdem versammeln. Dies bedeutet, dass jedes Ding allen anderen gegenüber die Position eines Herrn und zugleich eines Untergebenes einnehmen kann. Diese Beziehung der Dinge ist von der Vernunft her gesehen klar widersprüchlich. Die von Nishitani so genannte »wechselseitige Durchdringung« entsteht von diesem Standpunkt der Leere her. Sie bedeutet, dass jedes Ding jedes andere Ding sich selbst sein lässt und gerade darin seine eigene, absolute Selbständigkeit besitzt. Es ist dies der Standpunkt, in dem die Selbständigkeit aller Dinge vollkommen getrennt von allen anderen Dingen, zugleich aber auch deren Abhängigkeit von allen anderen Dingen ineins miteinander entstehen können. Dass das Seiende bei sich selbst seiend bei allem anderen Seienden ist bedeutet, dass das Sein jedes Seienden – getragen vom Sein alles anderen Seienden – alles andere Seiende sein lässt und dass alles Seiende auf diese Weise in der Welt ist. Nach Nishitani kann nicht nur das Dasein des Menschen, sondern alles Seiende "In-der-Welt-sein" sein. Sich auf die wechselseitige Durchdringung in der Leere berufend sagt Nishitani, dass die Welt im Sein alles Seienden weltet. Darüber hinaus befänden wir uns im Rahmen einer solchen Welt nicht einfach auf der Grundlage von Geburt und Tod in der Zeit: "Am Ursprungsort unserer selbst… leben-und-sterben wir durch Geburt/Tod… Wir leben die Zeit in jedem Moment der Zeit. Wir machen Zeit zu Zeit und lassen sie sich zeitigen" (Nishitani, 1986b, S. 253, kursiv vom Verfasser). Auf diese Weise erklärt er die Stellung der Leere mit heideggerschen Begrifflichkeiten und versteht so auf eigentümliche Weise auch das Verhältnis von Sein und Zeit.

Es fehlt der Raum, jede seiner Analysen ausführlich darzustellen. Aber ich möchte doch die Aufmerksamkeit darauf richten, dass das Seiende in der wechselseitigen Durchdringung der Leere seine Selbstidentität zeigt, indem es alles andere Seiende sein lässt. Im oben angedeuteten, eigentümlich zeitigenden "Lassen" sowie im selbstidentischen "Lassen" des vorhergehenden Satzes ist meines Erachtens eine verblüffende Übereinstimmung zu Heideggers "Lassen" zu erkennen, das von seinem originären Verständnis vom Logos der Phänomenologie in Sein und Zeit zum Gedanken der Gelassenheit verläuft.

Gleichzeitig geht es jedoch auch darum zu zeigen, wie das Problem des Nihilismus angegangen werden kann, wenn Leere und Gelassenheit aus der Perspektive der Überwindung des Nihilismus gedacht werden. Es ist meiner Meinung nach ebenso möglich wie notwendig, den denkerischen Zusammenhang zwischen dem Konzept der Leere und der Spätphilosophie von Heidegger aus einem noch weiter gefassten und umfassenderen Gesichtspunkt heraus zu betrachten und zu vergleichen. Im Folgenden sollen also beide Gedanken zum Nihilismus, insbesondere zur Überwindung des Nihilismus zur Sprache kommen.

 

4. Die Geschichte des Willens und die Überwindung des Nihilismus

Wie allgemein bekannt hat Heidegger seit der Mitte der 1930er Jahre durch die Auseinandersetzung mit Nietzsche seine Einsicht in den Nihilismus vertieft und den eigentümlichen Gedanken der Seinsgeschichte entwickelt. Indem die Metaphysik mit der Frage "Was ist das Seiende?" das Seiende als solches, es also auf seinen Grund hin befragt, bleibt das Sein selbst wesensnotwendig ungefragt. Anders gesagt ist die Metaphysik jene Geschichte, in der das Sein als das Sein des Seienden (die Seiendheit) vom Seienden aus befragt und gedacht wurde. Die Geschichte der Metaphysik, in der es mit dem Sein selbst nichts ist, mündet insofern wesentlich im Nihilismus. Indem die Metaphysik sich dabei des Seienden in seinem Sein versichert und das Sein des Seienden vorstellt, ist sie immer schon wesentlich mit dem Willen verbunden. Der Grundzug des Willens durchwaltet das metaphysische Denken im Verborgenen und entwickelt sich durch das Vorstellen des neuzeitlichen Subjekts hindurch weiter zum "Willen zur Macht" bei Nietzsche. Heidegger sieht im Grund dieser Entwicklung letzten Endes "den Willen zum Willen" am Werke und erkennt darin die Vollendung des Nihilismus, in dem das Sein selbst ungedacht bleibt. Es bedarf keiner weiteren Erwähnung, dass diese Analyse sich mit der Einsicht in das Wesen der modernen Technik verbindet und ein eigentümliches Verständnis von Technik ermöglicht. Daher wurde es zu einer immer größeren Aufgabe, inmitten eines solchen, die Geschichte wirkmächtig durchziehenden Nihilismus die Möglichkeit zur Überwindung des Nihilismus zu suchen.

Es ist zwar schwer, die reichhaltigen Gedanken des späten Heideggers eindeutig zu erfassen. Aber der Gedanke der Gelassenheit bestimmt in Verbindung mit dem Welt-Verständnis als Geviert seine philosophische Position. Die Gelassenheit ist als die Negation des Willens, der sich mit dem vorstellenden Denken verbindet und die Geschichte der Metaphysik durchläuft, in einem Sinne das Wollen des Nichts. Insofern die Negation aber auf die Weise des Wollens der Negation des Willens geführt wird, wird der Wille wiederum in den metaphysischen Willen verwickelt. Heidegger überprüft die willentliche Verneinung des Wollens bekanntlich in Zur Erörterung der Gelassenheit; dort sucht er nach der Möglichkeit eines anderen Denkens als des auf das Wollen bezogene. Das ist eben jene "Gelassenheit", der Heidegger unterwegs zur Erörterung des Wesens des Seins als dem Wesen des Menschen begegnete. Der Gedanke der Gelassenheit verbindet sich mit dem "Schritt zurück" und bestimmt die Denkhaltung des späten Heideggers. Es ist zwar nicht immer klar, wie die Gelassenheit möglich ist angesichts der immer größeren und mächtigeren Wirkung der modernen Technik, und es lässt sich nicht leugnen, dass sie selber als Haltung des Menschen in keinster Weise konkret wird. Sicher ist es schwierig, in der heutigen den Gedanken der Gelassenheit konkret zu übernehmen. Aber eines ist klar: Nämlich, dass sich Heidegger im seinem Gedanken der Gelassenheit dem Standpunkt der Leere fundamental annähert. Heidegger hatte in diesem Sinne auf seiner Suche nach einem anderen Denken in der Gelassenheit den Weg zum Sein selbst bzw. zu der Wahrheit als Unverborgenheit des Seins angetreten. Nishitani nun betrachtet in seinem Buch Was ist Religion? im Verlauf der philosophischen Grundlegung der Leere zwei Kapitel, "Leere und Zeit" und "Leere und Geschichte", eingefügt, in denen er untersucht, wie sich der Standpunkt der Leere, der in der buddhistischen Tradition ursprünglich ahistorisch erscheint, auf das Problem von Zeit und Geschichte auswirkt. Dabei wies er darauf hin, dass das Problem des Willens in der geistigen Tradition des Abendlandes eine bedeutsame Stellung eingenommen hatte.

Nach Nishitnai verbinden sich alle Hauptgedanken der Geschichte mit dem Problem des Willens. Der christlichen Heilsgeschichte liegt der Wille eines personalen Gottes zugrunde, und genauso basiert die säkularisierte Geschichtsauffassung des ständigen Fortschritts, die mit der Verneinung der Heilsgeschichte entsteht, auf dem ewigen Impuls des Menschen in Form des "Willens zum Willen", der stets seinen eigenen Willen durchzusetzen sucht. Das aber ist nicht bloß das Problem des Abendlandes. Insofern es um das Wesen der Welt und des Selbst geht, ist dieser impulsive Wille auch in der ostasiatischen Tradition z. B. beim Begriff des Karmas anzutreffen. Andererseits erfasst die ewige Wiederkehr bei Nietzsche, der das radikale "Nein" auf jeden Standpunkt richtet, den Weltprozess als "die Unschuld des Werdens" und zeigt dadurch eine Annäherung zur buddhistischen Leere als großer Bejahung. Aber insofern der Grund des Werdens als Wille zur Macht ausgelegt wird, wird er – Nishitani zufolge – noch als willentlich Seiendes in objektiver Art und Weise gesehen und erreicht die Stelle nicht, an der das Selbst nicht nur Wille, sondern der Wille auch Selbst ist. Das ist es, was Nishitani meint, wenn er sagt, dass die Bedeutung des subjektiven Gewahrens des Selbst im Ja-sagen bei Nietzsche nicht immer deutlich sei.

Dagegen entsteht der Standpunkt der Leere in der absoluten Negation des Willens. Wie oben bereits beschrieben, hat die Leere ihr eigenstes Wesen darin, dass nicht nur das Selbst leer ist, sondern dass in einer ganzheitlichen Wende die Leere das Selbst ist. Das Selbst in der Leere ist "das selbstlose Selbst", das in der Phrase ausgedrückt wird, nach der "Das Selbst ist das Selbst, weil es nicht das Selbst ist" (Nishitani, 1986b, S. 378).

Das Problem des Nihilismus kann sich vom Subjekt nicht trennen, das den Nihilismus überwinden will, und Nishitani hat deshalb im Nihilismus sowohl bei Nietzsche als auch beim jungen Heidegger in deren jeweils eigentümlichen Verständnis des Willens das Positiv-Schöpferische gesehen. Aber sofern der Wille als willentliches Subjekt wirkt, kommt er nicht umhin, sich mit dem vorstellenden Denken zu verbinden, und demzufolge gelingt es ihm nicht, die metaphysische Verfassung zu durchbrechen, in der Heidegger zufolge das Sein selbst nicht gedacht werden kann. Heidegger trachtete deshalb danach, die Stellung der transzendentalen Subjektivität, die in seinem frühen Denken noch verblieben war, d. h. die anfänglich bestimmende Stellung des Willens, selbstkritisch zu überwinden und so Schritte in eine neue Richtung zu gehen.

Aber dies bedeutet nicht, dass das Subjekt bzw. das Selbst unnötig wird. Es ist vielmehr eine entscheidende Aufgabe, die Stellung des Subjekts bzw. des Selbst für die Überwindung des Nihilismus festzuhalten. Auch in der Leere verschwindet der Wille nicht. In ihr geschehen alle unsere Akte, unser ganzes Sein von dort aus, wo die Leere das Selbst ist. Nishitani zufolge tragen sie darin den Charakter einer Art von Spiel. Es ist dies nichts anderes als die geistige Situation absoluter Freiheit, die seit alters her in der ostasiatischen Tradition »Erleuchtung« (samādhi) bzw. »Un-Bewußtsein« (mushin) genannt wurde. Nishitani sagt darüber: "In der Umkehr vom Standpunkt des karma zu dem der Leere, vom Standpunkt des selbstzentrierten »Willens« zu dem des selbst-losen samādhi, ist alles, was wir tun, zugleich wahre Erlösung von Schuld1 und wahres Annehmen der Schuld. Daraus folgt, dass sich unser »Tun« wahrhaft als Tun realisiert" (Nishitani, 1986b, S. 383). Es ist der Standpunkt der Leere, wo alle Schuld zu Aufgabe und Berufung wird und die "wahre und ursprüngliche Spontaneität" (Nishitani, 1986b, S. 388) entsteht.

Dass Nishitani das Tun in der Leere als "Spiel" begreift, erinnert uns unmittelbar an den Gedanken des "Gevierts", an das "ereignende Spiegel-Spiel der Einfalt von Erde und Himmel, Göttlichen und Sterblichen" (Heidegger, 2000, GA 7, S. 181 sowie 2004, GA 9, S. 19). Es ist wohl bekannt, dass der späte Heidegger auch über dieses Spiegel-Spiel im Geviert seine Sicht auf das "Spiel" schärfte und vertiefte. Aber ich möchte an dieser Stelle die Frage aufgreifen, welchen Charakter nämlich das Subjekt des bzw. der Sterblichen habe. Es bleibt uns eine Aufgabe zu klären, wie das Spiel im heideggerschen Sinne auf den Standpunkt der Leere Bezug nehmen kann.

 

5. Schluss

Das Spätdenken Heideggers, das sich auf die gewaltige Aufgabe der Auseinandersetzung mit dem weltweiten Nihilismus richtet, zeigt eine voranschreitende Ausdehnung und Vertiefung und enthält darin meines Erachtens verschiedene Möglichkeiten. Eine dieser Möglichkeiten zeigt sich in seiner Annäherung an die Gedanken Nishitanis.

Aber wenn wir heute Heideggers und Nishitanis Denken rezipieren, dürfen wir nicht ignorieren, dass im Hintergrund jeder Grundstellung die gegenwärtigen Fragen von Wissenschaft und Technik liegen. Von der Technikinterpretation Heideggers war bisher bereits viel die Rede. Auch Nishitani zeigte in seiner Untersuchung des heutigen Nihilismus ein großes Interesse an den Problemen der Naturwissenschaft und der damit eng verwobenen Technik. Heidegger suchte in seinen Erörterungen über die Technik nach Möglichkeiten, die aus der Kunst entsprängen und entwickelte darin ein neues Verständnis des "Bildes". Auch Nishitani griff, gerade als würde er Heidegger antworten, das Problem der Einbildungskraft, das er schon seit langer Zeit mit Interesse verfolgt hatte, in seiner letzten Abhandlung Leere und soku (1982) auf, bezog sich auf eine "ursprüngliche Einbildungskraft" und zeigte, dass die Stimmung der Leere durch das Bild und als Bild erscheint. Obwohl dieser Versuch im Fragmentarischen verblieb, scheint er mir gerade deswegen offen für eine vergleichende Gegenüberstellung mit den Gedanken Heideggers. Uns bleibt die Möglichkeit weiterer und weiterführender Gespräche zwischen Heidegger und Nishitani als Aufgabe.

 

Literaturliste

Heidegger, M. (1977). Sein und Zeit. Gesamte Ausgabe (Band 2). Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann.         [ Links ]

Heidegger, M. (1989). Hölderlins Hymnen "Germanien" und "Der Rhein" (Wintersemester 1934/35). Gesamte Ausgabe (Band 39). Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann.         [ Links ]

Heidegger, M. (1998). Logik als die Frage nach dem Wesen der Sprache (Sommersemester 1934). Gesamte Ausgabe (Band 38). Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann.         [ Links ]

Heidegger, M. (2000). Vorträge und Aufsätze (1936-1953). (Band 7). Günther Neske / Klett-Cotta: Stuttgart.         [ Links ] Heidegger, M. (2004). Wegmarken (1919-1961). Gesamte Ausgabe (Band 9). Frankfurt a. M.: Vittorio Klostermann.         [ Links ]

Löwith, K. (1990). Der europäische Nihilismus, Nachwort an den japanischen Leser. In Bernd von Lutz (Hrsg.), Der Mensch inmitten der Geschichte (S.106ff). Stuttgart: Metzler.         [ Links ]

Nishitani, K. (1986a). Nishitani Keiji chosakushū. Gesammelte Werke (Bd. 8, Nihilismus). Tokyo: Sōbunsha.         [ Links ]

Nishitani, K. (1986b). Was ist Religion?. (2. durchgesehene Aufl). Frankfurt: Insel Verlag.         [ Links ]

 

Recebido em 18/06/2011
Aprovado em 27/08/2011

 

 

1 Es ist selbstverständlich, dass Nishitanis Erörterung der Schuld hier eine enge Beziehung mit der Analyse der Schuld in Sein und Zeit hat.